Ener­gie­ge­halt des Essens nicht Über­ge­wichts-Ursa­che

Dick durch Überessen?
Dick durch Über­es­sen?

Ursa­chen von Über­ge­wicht (Fol­ge 4 von 14)

Wie in Stein gemei­ßelt fin­det sich in den Köp­fen vie­ler Men­schen (auch von Ernäh­rungs-Exper­ten oder Ärz­ten) der Glau­bens­satz: “Wer viel isst, wird dick”. Oder: “Die glo­ba­le Gesund­heits-Kata­stro­phe der “Über­ge­wichts-Epi­de­mie” ist durch zu viel Essen und eine dadurch beding­te zu hohe Kalo­rien-Auf­nah­me ver­ur­sacht”. Ich kom­me mir immer wie­der als belä­chel­ter Mah­ner in der Wüs­te vor, wenn ich über- oder nor­mal­ge­wich­ti­gen Men­schen wie­der und wie­der zu erklä­ren ver­su­che, dass dies eine bös­ar­ti­ge Ideo­lo­gie ist, die vor allem eines tut: Sie macht den Über­ge­wich­ti­gen ein chro­nisch schlech­tes Gewis­sen (“Du bist doch sel­ber schuld!”). Auch neu­es­te Stu­di­en zei­gen, wie ande­re wis­sen­schaft­li­che Arbeits­er­geb­nis­se zuvor schon: Die Kalo­rien­auf­nah­me durch Essen und Trin­ken ist NICHT mit der Zunah­me des Kör­per­ge­wichts und der Aus­brei­tung der Über­ge­wichts-Epi­de­mie ver­knüpft [1].

In der über 22 Jah­re rei­chen­den Stu­die wur­den die Daten von jähr­lich 5.000 reprä­sen­ta­tiv aus­ge­wähl­ten US-Ame­ri­ka­ner hin­sicht­lich Über­ge­wicht, Adi­po­si­tas, Bauch­speck und Lebens­um­stän­de durch erfah­re­ne Inter­view­er erfasst. Dabei zeig­te sich:

  • der Body Mass Index (BMI) bei Frau­en und Män­nern nahm pro Jahr um 0,37% zu.
  • der mitt­le­re Hüft­um­fang nahm bei Frau­en um 0,37% und bei Män­nern um 0,27% pro Jahr zu. Die­ser Wert zeigt nicht nur, wie der Bauch­speck wächst. Son­dern er ist das bis­her bes­te Maß für die gesund­heit­li­chen Risi­ken von Über­ge­wicht.
  • in dem Beob­ach­tungs­zeit­raum nahm die Häu­fig­keit von Über­ge­wicht (BMI 25 bis BMI 29,99, ca. ? aller US-Erwach­se­nen), Adi­po­si­tas (BMI über 30, ca. ? aller US-Erwach­se­nen) und über­mä­ßi­gem Bauch­speck (“vis­ze­ra­le Adi­po­si­tas”, rund ? aller US-Erwach­se­nen) ins­ge­samt extrem zu.
  • die mitt­le­re Kalo­rien­auf­nah­me der unter­such­ten Pro­ban­den ver­än­der­te sich in den erfass­ten 22 Jah­ren nicht.

Peng, da liegt die gan­ze schö­ne “Zuviel-Essen-Ideo­lo­gie” auf der Nase.

Macht Essen dick?
Macht Essen dick?

Wie­der ein­mal. Denn die Erkennt­nis selbst ist nicht neu. Im Ver­ei­nig­ten König­reich wird am längs­ten erfasst, was die Men­schen so essen, trin­ken und wie viel Ener­gie sie auf­neh­men (seit 1940, “Natio­nal Food Sur­vey”). Dabei zeigt sich schon vor Jah­ren, dass Eng­län­de­rin­nen und Eng­län­der seit Jahr­zehn­ten immer weni­ger Kalo­rien zu sich neh­men. Allei­ne seit Mit­te der sieb­zi­ger Jah­re bis heu­te rund 30% weni­ger Ener­gie! Und trotz­dem gibt es eine mas­si­ve Über­ge­wichts-Epi­de­mie auch bei unse­ren Nach­barn… da stimmt doch irgend­was nicht!?

Die vie­len zehn­tau­send Exper­ten für Über­ge­wicht, Ernäh­rung oder adi­po­si­tas­be­ding­te Erkran­kun­gen leben natür­lich VON über­ge­wich­ti­gen Pati­en­ten. Des­halb kleis­tern sie, sobald ihre Ideo­lo­gie ange­kratzt wird, an ihrem Welt­bild, bis alles wie­der stimmt. Schein­bar! Denn in Wirk­lich­keit ist das wis­sen­schaft­li­che Grund­ver­ständ­nis von Über­ge­wicht weit­ge­hend falsch und sinn­los, da es in der Pra­xis kei­ne nach­hal­ti­gen und ein­fach mess­ba­ren Fol­gen hat. Weder kön­nen wir mit den gan­zen teu­ren Exper­ten und Pro­gram­men die Seu­che auf­hal­ten, noch sie wirk­sam behan­deln. Tat­säch­lich ist mit iFas­ten sowohl eine Vor­beu­gung von Über­ge­wicht, wirk­sa­mes Abneh­men und lang­fris­ti­ger Gewichts­er­halt nach einer erfolg­rei­chen Gewichts­re­duk­ti­on mög­lich.

Eine Bemer­kung zu einem häu­fi­gen Denk­feh­ler, dem “fal­schen Umkehr­schluss”: Wenig Essen, zum Bei­spiel die von mir vor­ge­schla­ge­ne “Friss-Ein-Dri­t­­tel-Diät” (FED) hilft sicher beim Abneh­men (bei mir zum Bei­spiel von rund 30 Kilo­gramm). Doch weil wenig Essen beim Abneh­men hilft, ist der Umkehr­schluss “Essen ist die Ursa­che von Über­ge­wicht” meist nicht rich­tig. Wie die oben genann­ten Stu­di­en zei­gen, ist es sogar falsch. Hin­weis: Die Film-“Dokumentation” “Super size me”, die vor rund 10 Jah­ren “bewei­sen” soll­te, dass Über­es­sen von Junk-Food krank und dick macht, hat sich in der Zwi­schen­zeit als Betrug des “Jour­na­lis­ten” und sei­ner Ärz­te her­aus­ge­stellt. Es ist nur unter extre­men Bedin­gun­gen mög­lich, gesun­de Men­schen fett zu mäs­ten.

Sie ver­ste­hen das gan­ze Hin und Her nicht? Das erscheint mir völ­lig nor­mal, weil uns rie­si­ge Indus­trie­kon­zer­ne über­teu­er­te, kalo­rien­re­du­zier­te Nah­rung ver­scher­beln und Medi­en­ver­tre­ter und Wis­sen­schaft­ler als ihre Bot­schaf­ter miss­brau­chen. Die­se wer­fen – gut bezahlt von ihren Spon­so­ren – Nebel­bom­ben, die den unge­trüb­ten, kla­ren Blick auf das Gesche­hen ver­hin­dern.

Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Gesund­heits­be­ra­ter, Ber­lin, 15. August 2014.
Bild­nach­wei­se
• Anthea Sie­ve­king, Well­co­me Images, 2914 (Crea­ti­ve Com­mons by-nc-nd 4.0).
• Corel Cor­po­ra­ti­on, 1999.
Quel­len
[1] Lad­a­baum U, Man­na­litha­ra A, Myer PA, Singh G: Obe­si­ty, Abdo­mi­nal Obe­si­ty, Phy­si­cal Acti­vi­ty, and Calo­ric Inta­ke in US Adults: 1988 to 2010. Am J Med. 2014 Aug;127(8):717–727.e12.
[2] Depart­ment for Envi­ron­ment, Food and Rural Affairs (United King­dom): Food Sta­tis­tics Pocket­book 2013 – in year update. Lon­don, 2014.