Lexikon

Athe­ro­ge­ne­se

(f ) Ent­ste­hung von Athero­skle­ro­se. Die kom­ple­xen Mecha­nis­men der Athe­ro­ge­ne­se sind trotz inten­si­ver Erfor­schung seit 80 Jah­ren noch immer nicht im Detail auf­ge­klärt. Vor allem ist noch immer umstrit­ten, ob plas­ma­ti­sche Fak­to­ren (z. B. LDL-Erhö­hun­gen) unmit­tel­bar zur Athe­ro­ge­ne­se füh­ren (Lipidhy­po­the­se) oder ob eine Gefäß­wand­ver­let­zung der pri­mä­re Pro­zess ist („Respon­se to Inju­ry“). Ver­schie­de­ne Hypo­the­sen wur­den dis­ku­tiert:
„Throm­bo­ge­ne Inkru­sta­ti­on“ (von Roki­tan­sky 1844): Aus­bil­dung vas­ku­lä­rer Mem­bra­nen, vor allem durch Fibrin. „Cho­le­ste­rin-Gra­nu­la“ in den Abla­ge­run­gen füh­ren zu „wei­chen“ Plaques, die ihrer­seits zu Rup­tu­ren nei­gen und wei­te­re Fibrin­auf­la­ge­run­gen indu­zie­ren.
„Ver­let­zungs-Reak­ti­on“ (Virch­ow 1856): Eine inflamm­a­to­ri­sche Ver­let­zung mit nach­fol­gen­der zel­lu­lä­rer Pro­li­fe­ra­ti­on führt zur Ent­ste­hung von Plaques, in wel­che Plas­ma­li­pi­de „imbi­bie­ren“.
„Duguid-Plätt­chen-Theo­rie“ (Duguid 1949): Ein Kreis­lauf von Endo­thel­ver­let­zung, Throm­bo­zy­ten­ab­la­ge­rung, Throm­bus­bil­dung und orga­ni­sa­ti­on führt zur Aus­bil­dung von Throm­ben. Wach­sen­de Fibrin­schich­ten engen das Gefäß­lu­men ein.
„Mono­klon­a­le Hypo­the­se“ (Ben­ditt und Ben­ditt 1972): Muta­ge­ne oder Viren indu­zie­ren die intra­ar­te­ri­el­len Anhäu­fun­gen mono­klon­a­ler glat­ter Mus­kel­zel­len. Die­se Hypo­the­se basier­te vor allem auf dem Nach­weis einer unge­wöhn­li­chen Homo­ge­ni­tät die­ser Zel­len. Gegen­wär­tig wird die­ses Phä­no­men zwar bestä­tigt, aber nicht als ursäch­li­che patho­ge­ne Muta­ti­on ein­ge­stuft, son­dern als sekun­dä­res Phä­no­men im Sin­ne einer natür­li­chen Zell­se­lek­ti­on.
„Lipidhy­po­the­se“ (Gold­stein 1979, Mah­ley 1979): Modi­fi­zier­te LDL und Beta-VLDL wer­den von Monozyten/Makrophagen und myo­in­ti­ma­len Zel­len auf­ge­nom­men und wan­deln die­se in lipi­d­über­la­de­ne Schaum­zel­len um. Ursäch­lich sind hier­bei nicht pri­mä­re Ver­let­zun­gen der Endo­thel­zel­len, son­dern die erhöh­ten Lipo­pro­te­ine des Blu­tes.
„Respon­se to Inju­ry“ (Ross und Glom­set 1971, 1974, 1984): Auf endo­the­lia­len Schä­di­gun­gen lagern sich Throm­bo­zy­ten ab, die einen Fak­tor sezer­nie­ren (Plate­let deri­ved Growth Fac­tor (PDGF)), der zum Wachs­tum der dar­un­ter lie­gen­den glat­ten Mus­kel­zel­len (myo­in­ti­ma­len Zel­len) führt. Die­se alte­rie­ren und pro­du­zie­ren statt Elas­tin ver­mehrt Kol­la­gen und Pro­teo­gly­ka­ne, wel­che zur Matrix der Athe­ro­me bei­tra­gen und die Ein­la­ge­rung von LDL und LDL-bela­de­nen Makro­pha­gen begüns­ti­gen.
„Ver­ei­nig­te Hypo­the­se“ (Jack­son und Got­to 1976, Cath­cart 1985): In die­ser Hypo­the­se wer­den der „Lipid-“ und der „endo­the­lia­le Pfad“ ver­knüpft. Hier­nach kön­nen erhöh­te LDL-Spie­gel das Endo­the­li­um beschä­di­gen und die fol­gen­de Kas­ka­de aus­lö­sen: Throm­bo­zy­ten­ag­gre­ga­ti­on, PDGF-Frei­set­zung, Pro­li­fe­ra­ti­on der glat­ten Mus­kel­zel­len. Auf der ande­ren Sei­te wer­den Makro­pha­gen und myo­in­ti­ma­le Zel­len akti­viert und LDL oxi­da­tiv alte­riert. Durch che­mo­tak­ti­sche Fak­to­ren wer­den Blut­mo­no­zy­ten ange­lockt, die oxi­dier­te LDL und Beta-VLDL auf­neh­men, zu Schaum­zel­len ent­ar­ten, ihre Wan­de­rungs­fä­hig­keit ver­lie­ren und so zur Lipidan­häu­fung im Athe­rom bei­tra­gen.


Abb. 6 Dar­stel­lung der Ent­ste­hung eines Athe­roms nach der Ver­let­zungs­theo­rie. Mono­zy­ten drin­gen an einer Endo­thel­ver­let­zung in den suben­do­the­lia­len Raum ein und wan­deln sich durch Auf­nah­me von alte­rier­ten LDL zu Schaum­zel­len um. Gleich­zei­tig decken Throm­bo­zy­ten die Läsi­on ab und set­zen dabei PDGF frei, der wei­te­re Mono­zy­ten anlockt und die glat­ten Mus­kel­zel­len zur Pro­li­fe­ra­ti­on und Kol­la­gen­bil­dung sti­mu­liert.