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Inkre­tin-Effekt

Als Inkre­tin-Effekt wird in der Medi­zin die Mit­te der 1960er Jah­re beschrie­be­ne Beob­ach­tung bezeich­net, dass bei glei­chen Blut­zu­cker­spie­geln die intra­ve­nö­se Injek­ti­on von Glu­ko­se zu einer deut­lich gerin­ge­ren Aus­schüt­tung des blut­zu­cker­sen­ken­den Hor­mons Insu­lin führt als eine ora­le Glu­ko­se­zu­füh­rung. Die Kon­zen­tra­ti­on von Glu­ko­se im Blut erklärt daher nicht allein die Men­ge der Insu­lin­aus­schüt­tung der Bauch­spei­chel­drü­se. Mit­te der 1980er Jah­re wur­de auf der Basis expe­ri­men­tel­ler Daten das Aus­maß des Inkre­tin-Effekts in Abhän­gig­keit von der Glu­ko­se­men­ge auf etwa 25 bis 60 Pro­zent der Insu­lin­ant­wort geschätzt.

Ursa­che des Inkre­tin-Effekts

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Als Ursa­che für den Inkre­tin-Effekt wur­de die Exis­tenz von Hor­mo­nen pos­tu­liert, die von der Darm­schleim­haut gebil­det wer­den. Auf der Suche nach die­sen als Inkre­ti­ne bezeich­ne­ten Hor­mo­nen wur­de zunächst das von den K‑Zellen der Zwölf­fin­ger­darm­schleim­haut gebil­de­te Glu­ko­se­ab­hän­gi­ge insu­li­notro­pe Pep­tid (GIP) gefun­den, des­sen insu­lin­frei­set­zen­de Wir­kung um 1970 nach­ge­wie­sen wur­de. Da eine Neu­tra­li­sa­ti­on des GIP den Inkre­tin-Effekt jedoch nur um 20 bis 50 Pro­zent redu­ziert, wur­de nach wei­te­ren Inkre­ti­nen gesucht. Mit­te der 1980er Jah­re wur­de dann das Glu­ca­gon-like Pep­tid 1 (GLP‑1) beschrie­ben, das von den L‑Zellen der Darm­schleim­haut pro­du­ziert wird. Die höchs­te Dich­te die­ser Zel­len fin­det man am Ende des Dünn­darms, dem soge­nann­ten Ile­um, sowie dem als Cae­cum bezeich­ne­ten Anfang des Dick­darms. Es konn­te gezeigt wer­den, dass GLP‑1 einen wesent­li­chen Anteil am Inkre­tin-Effekt hat und dass sei­ne Wir­kung addi­tiv zur Wir­kung des GIP ist. Gegen­wär­tig wird davon aus­ge­gan­gen, dass die­se bei­den Hor­mo­ne für den gesam­ten Inkre­tin-Effekt ver­ant­wort­lich sind.

Kli­ni­sche Anwen­dung

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Auf­grund detail­lier­ter Unter­su­chung von GIP und GLP‑1 wur­de ver­sucht, auf die­sen Hor­mo­nen oder ihren Regu­la­ti­ons­me­cha­nis­men beru­hen­de Medi­ka­men­te für die The­ra­pie des Dia­be­tes mel­li­tus Typ 2 zu ent­wi­ckeln.

Für GIP zeig­te sich, dass es bei einem erhöh­ten Blut­zu­cker­spie­gel kei­ne sti­mu­lie­ren­de Wir­kung auf die Insu­lin­frei­set­zung hat. Für GLP‑1 ist die Wir­kung bei Dia­be­ti­kern zwar gerin­ger als bei stoff­wech­sel­ge­sun­den Men­schen, aller­dings aus­rei­chend für einen blut­zu­cker­sen­ken­den Effekt. GLP‑1 selbst erwies sich jedoch bei einer medi­ka­men­tö­sen Anwen­dung auf­grund des Abbaus durch das Enzym Dipep­ti­dyl­pep­ti­da­se 4 als zu insta­bil und damit als zu kurz­zei­tig in sei­ner Wir­kung.

Es wur­den jedoch ande­re Sub­stan­zen gefun­den, die nicht die­ser enzy­ma­ti­schen Spal­tung unter­lie­gen und die auf­grund struk­tu­rel­ler Gemein­sam­kei­ten eine mit dem GLP‑1 ver­gleich­ba­re Wir­kung an des­sen Rezep­tor zei­gen. Die­se Sub­stan­zen wer­den als Inkre­tin-Mime­ti­ka bezeich­net. Leit­sub­stanz die­ser neu­en Wirk­stoff­klas­se ist das Exe­na­tid: die syn­the­ti­sche Ver­si­on eines Hor­mons, das als Exendin‑4 im Spei­chel der Gila-Krus­ten­ech­se (Helo­der­ma suspec­tum), einer ame­ri­ka­ni­schen Ech­sen­art, gefun­den wur­de. Eine wei­te­re Wirk­stoff­klas­se auf der Basis des Inkre­tin-Effekts sind die Inhi­bi­to­ren der Dipep­ti­dyl­pep­ti­da­se 4, die durch die Hem­mung der Dipep­ti­dyl­pep­ti­da­se 4 den Abbau des kör­per­ei­ge­nen GLP‑1 ver­zö­gern.

Für bei­de Wirk­stoff­klas­sen zeig­te sich, dass ihre Wir­kung auf einer Sti­mu­la­ti­on der Frei­set­zung von Insu­lin und einer Hem­mung der Glu­ca­gon-Sekre­ti­on beruht, und dass ihre Anwen­dung den Blut­zu­cker­spie­gel nüch­tern und nach Nah­rungs­auf­nah­me ver­rin­gert. Für Exe­na­tid wur­de dar­über hin­aus eine Sen­kung des Kör­per­ge­wichts nach­ge­wie­sen. In wei­te­ren Stu­di­en wur­den zudem Hin­wei­se dar­auf gefun­den, dass eine län­ger­fris­ti­ge Behand­lung mit Inkre­tin-Mime­ti­ka und Inhi­bi­to­ren der Dipep­ti­dyl­pep­ti­da­se 4 mög­li­cher­wei­se die insu­lin­pro­du­zie­ren­den Beta­zel­len schützt und ihren Unter­gang ver­hin­dert oder zumin­dest ver­zö­gert. Der Effekt bei­der Wirk­stoff­klas­sen ist zudem abhän­gig vom Blut­glu­ko­se­spie­gel, so dass im Gegen­satz zu den ande­ren zuge­las­se­nen anti­dia­be­ti­schen Medi­ka­men­ten prak­tisch kein Risi­ko einer Unter­zu­cke­rung besteht.

  • D.J. Dru­cker, M.A. Nauck: The Incre­tin Sys­tem: Glu­ca­gon-like Peptide‑1 Recep­tor Ago­nists and Dipep­ti­dyl peptidase‑4 Inhi­bi­tors in Type 2 Dia­be­tes. In: The Lan­cet. 368/2006. Lan­cet Publi­shing Group, S. 1696–1705, ISSN 0140–6736
  • T. Vils­boll, J.J. Holst: Incre­tins, Insu­lin Secre­ti­on and Type 2 Dia­be­tes mel­li­tus. In: Dia­be­to­lo­gia. 47(3)/2004. Sprin­ger, S. 357–366, ISSN 0012–186X
source: https://de.wikipedia.org/wiki/Inkretin-Effekt

(Wiki­pe­dia) Als Inkre­tin-Effekt wird in der Medi­zin die Mit­te der 1960er Jah­re beschrie­be­ne Beob­ach­tung bezeich­net, dass bei glei­chen Blut­zu­cker­spie­geln die intra­ve­nö­se Injek­ti­on von Glu­ko­se zu einer deut­lich gerin­ge­ren Aus­schüt­tung des blut­zu­cker­sen­ken­den Hor­mons Insu­lin führt als eine ora­le Glu­ko­se­zu­füh­rung. Die Kon­zen­tra­ti­on von Glu­ko­se im Blut erklärt daher nicht allein die Men­ge der Insu­lin­aus­schüt­tung der Bauch­spei­chel­drü­se. Mit­te der 1980er Jah­re wur­de auf der Basis expe­ri­men­tel­ler Daten das Aus­maß des Inkre­tin-Effekts in Abhän­gig­keit von der Glu­ko­se­men­ge auf etwa 25 bis 60 Pro­zent der Insu­lin­ant­wort geschätzt.
Die­ser Text basiert auf dem Arti­kel Inkre­tin-Effekt aus der frei­en Enzy­klo­pä­die Wiki­pe­dia und steht unter der Lizenz Crea­ti­ve Com­mons CC-BY-SA 3.0 Unpor­ted (Kurz­fas­sung). In der Wiki­pe­dia ist eine Lis­te der Autoren ver­füg­bar.