Lexikon

Weg­war­te (Cicho­ri­um inty­bus): Mono­gra­phie

Wegwarte an einer Bundesstraße

Weg­war­te an einer Bun­des­stra­ße

Die Weg­war­te (Cicho­ri­um inty­bus) macht ihrem Namen alle Ehre: Beson­ders zur Blü­te­zeit Ende Juni bis in den Sep­tem­ber hin­ein, ist sie an Wegen aller Art gut zu bewun­dern. Denn sie „war­tet“ und blüht sowohl an gro­ßen Auto­bah­nen und Land­stra­ßen, wie auch an klei­ne­ren oder grö­ße­ren Spa­zier- oder Fahr­rad­we­gen. Dabei kann der Ein­druck ent­ste­hen, dass sie Men­schen auf ihren Wegen beglei­tet. Ihre blau­en Blü­ten sind wun­der­hübsch und leuch­ten weit­hin. Aller­dings lohnt es nicht, sie für einen Blu­men­strauß zu pflü­cken, denn die Blü­ten blü­hen nur für ein paar Stun­den. Dafür bil­det die Heil­pflan­ze jedoch täg­lich sehr vie­le Blü­ten aufs Neue aus, so dass sie den Men­schen mit ihrer Blü­ten­pracht stän­dig Freu­de berei­ten und damit auch „den Weg wei­sen“ kann.

Bewähr­te Heil­pflan­ze: Weg­war­te

Die gewöhn­li­che Weg­war­te oder auch wil­de Zicho­rie gehört zu den alten und bewähr­ten Heil­pflan­zen. Sie wächst in Euro­pa, Vor­der­asi­en bis zum Iran, Nord- und Süd­afri­ka, im gesam­ten Ame­ri­ka, Aus­tra­li­en und Neu­see­land bis in Höhen zu 900 Metern. Am häu­figs­ten ist sie im Mit­tel­meer­raum anzu­tref­fen. Ihre Nut­zung ist seit dem Alter­tum bekannt. Vom grie­chi­schen Arzt Dio­s­ku­r­i­des (1. Jahrh. nach Chris­tus), der das bedeu­tends­te medi­zi­ni­sche Werk der Anti­ke ver­fass­te (Des Peda­ni­os Dio­s­ku­r­i­des) [1], sind die dama­li­gen Anwen­dun­gen schrift­lich nie­der­ge­legt: Er beschrieb die Weg­war­te als zusam­men­zie­hend, küh­lend und als wich­ti­ges Mit­tel für den Magen. Die wil­den For­men der Weg­war­te emp­fahl Dio­s­ku­r­i­des als Arz­nei zur Anre­gung von Appe­tit und Ver­dau­ung oder zur Behand­lung von Durch­fall. Auch als äußer­li­che ange­wand­te Brei-Umschlä­ge kam die Weg­war­te bei ihm zum Ein­satz: Bei Herz­lei­den, Poda­gra (Gicht) oder Augen­ent­zün­dun­gen.

Auch ande­re Heil­kun­di­ge beschäf­tig­ten sich mit der Weg­war­te: Pie­tro Andrea Mat­tio­li, lat. Mat­thio­lus (1501–1577) oder Albrecht von Hal­ler (1708–1777) schätz­ten sie als Leber- und Gal­len­mit­tel. Hen­ri Leclerc (1870–1955) ver­ord­ne­te die Heil­pflan­ze, des­sen „bit­te­res, rei­zen­des Toni­cum“, das er als gro­ßes Sto­ma­chi­kum (ver­dau­ungs­an­re­gen­des Mit­tel) sehr schätz­te. Es gibt noch vie­le ande­re Anwen­dun­gen wie als Gur­gel­mit­tel bei Hals­lei­den, als harn­trei­ben­de und aus­füh­ren­de Arz­nei, Skor­but oder Haut­lei­den [2].

Die sehr breit gefä­cher­ten Anwen­dungs­be­schrei­bun­gen aus Anti­ke und Alter­tum gelang­ten über die Erfah­rungs­heil­kun­de und über die Beschrei­bun­gen in Kräu­ter­bü­chern ins Mit­tel­al­ter. Auch Hie­ro­ny­mos Bock (1498–1554) bezog sich noch auf Dio­ku­r­i­des und notiert das Wis­sen sei­ner Zeit wie folgt:

In hand voll Weg­wart (sagt Dio­scori­des) in was­ser gesot­ten und gedrun­cken
fürt auß die gal­len und weis­sen schleim durch den stul­gang. Der Samen zer­stos­sen und mit wein gedrun­cken
Ehe das Feber den men­schen anstoßt
soll dadurch verdriben/
und mit der zeit gewen­det wer­den. Ein decoc­tion gemacht auß dem kraut und wurt­zel mit wein oder wasser/und warm gedrun­cken
eröff­net die Leber und Miltz
soll genützt wer­den im anfang der was­ser­sucht und Cach­ex­ia. Sol­chs ver­mag auch ds gebr­ant­was­ser
und ist treff­lich gut zu dem hit­zi­gen magen
zu allen bren­nen­den Febern
und schwach­heit des Hertzens gedrun­cken. … Das aus­ge­druckt safft mit wein gekocht
oder für sich selbst ein­ge­nom­men
stil­let den bauch­fluß
und seid bede Weg­wart in irer jugent dienst­lich zu der speiß
denn die helf­fen der dawung und eröff­nen alle ver­stop­fung der lebern und miltz [3].

Im 19. Jahr­hun­dert war die Weg­war­te eben­falls beliebt: Der Kräu­ter­pfar­rer und „Abhär­tungs­apos­tel“ Sebas­ti­an Kneipp (1821–1897) befand die Weg­war­te als so wich­tig, dass er sie in sei­nen Emp­feh­lun­gen für die „Klei­ne Haus­apo­the­ke“ [4] auf­nahm: Dies waren Emp­feh­lun­gen für Heil­pflan­zen, die auf­grund ihrer Bedeu­tung sei­ner Mei­nung nach in jeden Haus­halt gehör­ten. Die Weg­war­te sei, so schrieb Kneipp, sowohl in Form von Tink­tur als auch Tee zu bevor­ra­ten. Sein Schwei­zer Zeit­ge­nos­se Johann Künz­le (1857–1945) emp­fahl „zu Medi­zi­nen ist jedoch die wil­de Weg­war­te stär­ker als die zah­me. Sie ist heil­kräf­tig in allen Tei­len. Sie rei­nigt Magen, Leber und Nie­ren, treibt den Urin, ist sehr gut bei Fie­bern, ver­treibt über­flüs­si­ge Gal­le, heilt die Gelb­sucht und stillt das Blut­spei­en“ [5].

Bota­ni­sches:

Die Weg­war­te (Cicho­ri­um inty­bus) oder Zicho­rie gehört zur Fami­lie der Korb­blüt­ler (Aster­aceae oder Com­po­si­tae). In der Bota­nik sind neun Zicho­ri­en-Arten bekannt, die jedoch nicht wei­ter unter­teilt wer­den. Zicho­ri­en sind ein- oder mehr­jäh­ri­ge krau­ti­ge Pflan­zen. Sie schät­zen schwe­ren, leh­mi­gen Boden, kom­men jedoch auch her­vor­ra­gend mit mage­rem Unter­grund zurecht. Zicho­ri­en kön­nen bis zu einem Meter hoch wer­den, haben kan­ti­ge, hoh­le, rau­haa­ri­ge und spar­ri­ge Sten­gel. Ihre unte­ren Blät­ter sind fie­der­spal­tig und nach oben zuneh­mend ein­fa­cher und lan­zett­lich wach­send. Sie bil­den an den Blatt­ach­seln meis­tens hell­blaue, zun­gen­för­mi­ge (sel­te­ner weis­se oder rosa) Blü­ten aus. Zicho­ri­en wach­sen an Weg­rän­dern, Böschun­gen auf Brach- oder Ödland [2].

Wirt­schaft­lich bedeut­sam: Kaf­fee-Ersatz

Die Blaue Blu­me der Weg­war­te

Im Nach­fol­gen­den wird auf die Varie­tät von Cicho­ri­um inty­bus L. beson­ders ein­ge­gan­gen, weil sie seit Jahr­hun­der­ten arz­nei­lich und wirt­schaft­lich genutzt wird. Die ers­te nach­weis­lich gro­ße Bedeu­tung star­te­te mit Fried­rich dem Gro­ßen (1712–1786). Er för­der­te den Anbau der Weg­war­te außer­or­dent­lich, weil die Zicho­rie Grund­la­ge für die Her­stel­lung von Zichorien‑, Mandel‑, oder Ersatz­kaf­fee war. Der Ver­kauf von soge­nann­ten Brenn­schei­nen, die nötig waren, um die Zicho­ri­en­wur­zeln rös­ten zu dür­fen, floss näm­lich der Staats­kas­se zu. Vor­her hat­te der preu­ßi­sche König den Han­del mit Kaf­fee zum Staats­mo­no­pol erklärt, um die Abwan­de­rung deut­schen Kapi­tals ins Aus­land zu ver­hin­dern. Somit oblag der Genuss von Kaf­fee und von Kaf­fee-Ersatz­pro­duk­ten der Kon­trol­le des preu­ßi­schen Staa­tes. Einen wei­te­ren Auf­schwung erhielt der Zicho­ri­en-Anbau wäh­rend der Napo­leo­ni­schen Kon­ti­nen­tal­sper­re (1806–1813), als Napo­le­on einen Wirt­schafts­krieg gegen Groß­bri­ta­ni­en führ­te, um den Kon­ti­nent gegen die bri­ti­sche Wirt­schaft zu schüt­zen. Vor dem 1. Welt­krieg wur­den in Deutsch­land etwa 200 Mil­lio­nen Kilo­gramm ange­baut, wobei der größ­te Teil in die Pro­duk­ti­on von Ersatz­kaf­fee ging. Die Zicho­ri­en­wur­zel eig­net sich auf­grund ihres hohen Inu­lin-Anteils beson­ders gut für die Her­stel­lung (55–68 von Hun­dert der Tro­cken­sub­stanz). Beim Rös­ten der Zicho­ri­en­wur­zel wird ein Teil des Inu­lins in Fruk­to­se und Kara­mel ver­wan­delt. Außer­dem wird der Bit­ter­stoff „Inty­bin“ durch die Wär­me zer­stört und das „Röst­bit­ter Cicho­ral“ gebil­det [6]. Das ist der Anteil, der dem Zicho­ri­en­kaf­fee die Bit­ter­keit und Geschmack ver­leiht. Im 20. Jah­rund­ert spiel­te Zicho­ri­en­kaf­fee beson­ders im 1. und 2. Welt­krieg eine beson­de­re Rol­le: In Erman­ge­lung der teu­ren und oft nicht zu bekom­men­den Kaf­fee­boh­nen wur­de auf Ersatz­kaf­fee zurück­ge­grif­fen. Noch heu­te ist Zicho­ri­en­kaf­fee zum Bei­spiel in Bio­lä­den oder Reform­häu­sern zu bekom­men – dann wird er meis­tens als nicht kof­fe­in­hal­ti­ges, kaf­fee-ähn­li­ches Genuss­ge­tränk ver­kauft. Eine War­nung vor zu gro­ßem Zicho­ri­en­kaf­fee-Genuss wird von dem Phar­ma­ko­lo­gen Hugo Schulz aus­ge­spro­chen:

Es heisst, dass anhal­ten­der Genuß von Zicho­ri­en­kaf­fee zu Hämor­rhoi­dal­lei­den und zur Vari­zen­bil­dung füh­ren kön­ne, und die­se ungüns­ti­ge Wir­kung auf eine, in der Zicho­ri­en­wur­zel ent­hal­te­ne, Sub­stanz zurück­zu­füh­ren sei, die auf den Gefäß­to­nus nach­hal­tig ein­wir­ken kann [7].

Inhalt­stof­fe der Weg­war­te

Der bestim­men­de Geschmacks­an­teil der Weg­war­te ist auch ohne vor­he­ri­ges Rös­ten das Bit­te­re. In ihrem Milch­saft sind die bit­te­ren Ses­qui­ter­pen­lac­to­ne wie Cicho­roisid A,B,C und Kaf­fee­säu­re­de­ri­va­te (mit der Leit­sub­stanz der Chi­co­ree­säu­re) ent­hal­ten. Die Weg­war­te ent­hält, wie vie­le ande­re Heil­pflan­zen, auch eine Viel­zahl an zum Teil noch völ­lig uner­forsch­ten Inhalt­stof­fen, ist also ein Viel­stoff­ge­misch. Auch bezüg­lich der Inter­ak­tio­nen die­ser Inhalts­stof­fe unter­ein­an­der ist noch vie­les noch völ­lig unge­klärt. Wei­te­re bekann­te Inhalts­stof­fe sind noch die Fla­vo­no­ide (Hyper­oid), Hydro­xy­cum­ma­ri­ne (Umbel­li­fe­ron), Inu­lin und Pent­o­sa­ne [8].

Mär­chen­haf­tes und Magi­sches

Dass die Weg­war­te so offen­sicht­lich neben den Wegen der Men­schen steht, ließ ver­schie­de­ne Leben­den, Sagen und Mär­chen ent­ste­hen. Häu­fig kommt die ver­zau­ber­te und in eine Weg­war­te ver­wan­del­te Jung­frau oder ein treu­es Mäd­chen vor, die am Weges­rand ver­geb­lich auf ihren Liebs­ten war­tet. Dies gab ihr zum einen den Namen, zum ande­ren wur­de die Weg­war­te dadurch auch zu einem Sinn­bild der Lie­be und Treue. Doch auch als Zau­ber­mit­tel wur­de die schö­ne Heil­pflan­ze ver­wen­det, um bei­spiels­wei­se jeman­den in Lie­be ent­bren­nen zu las­sen. So pflück­ten Mäd­chen geschlos­se­ne Blü­ten der Weg­war­ten, hiel­ten die Blü­ten mit Tuch oder Schür­ze umwi­ckelt und spra­chen dazu:

O Weg­wart an des Pfa­des Rand,
Es pflückt ums Glück dich mei­ne Hand,
Schenk mir den Liebs­ten, Weg­wart,
Auf den du hast umsonst geharrt! [8]

Dann leg­ten die Mäd­chen die Blü­ten ins Mie­der – öff­ne­ten sich die Blü­ten, so bedeu­te­te dies Glück (und viel­leicht die Erfül­lung des Wun­sches).

Magi­sches soll auch von Para­cel­sus stam­men: Er soll geschrie­ben haben, dass sich die Wur­zel der Weg­war­te nach sie­ben Jah­ren in einen Vogel ver­wan­delt. Und: Dass Weg­war­ten­blü­ten, die mor­gens dun­kel, mit­tags licht­blau und abends weiss aus­se­hen, ver­wun­sche­ne Men­schen sei­en [9, 10].

Mono­gra­phie der Kom­mis­si­on E

Zugepflasterte Wege? Kein Problem für die Wegwarte.
Zuge­pflas­ter­te Wege? Kein Pro­blem für die Weg­war­te.
Die Erfah­run­gen der Alt­vor­de­ren, dass die Weg­war­te ein gutes Magen-Darm­mit­tel sei, wur­de von moder­nen Wis­sen­schaft­lern auf­ge­grif­fen, unter­sucht und bestä­tigt. So wur­de die Weg­war­te 1984 von Mit­glie­dern der Kom­mis­si­on E posi­tiv mono­gra­phiert [11]. Das heißt, der Weg­war­te wur­de eine the­ra­peu­ti­sche Wir­kung beschei­nigt: Die im Herbst gesam­mel­ten Blät­ter und Wur­zeln der Weg­war­te wer­den getrock­net und zum Bei­spiel zu Tee ver­ar­bei­tet. Als Anwen­dungs­ge­bie­te emp­fah­len die Wis­sen­schaf­ter Appe­tit­lo­sig­keit und dys­pep­ti­sche Beschwer­den wie Ver­dau­ungs­stö­run­gen, Völ­le­ge­füh­le nach dem Essen, frü­hes Sät­ti­gungs­ge­fühl, Ober­bauch­schmer­zen, Unwohl­sein, Magen­bren­nen, Blä­hun­gen, Übel­keit oder Erbre­chen. Die Kom­mis­si­on E emp­fahl eine Dosis von 3 Gramm zur Behe­bung der genann­ten Beschwer­den. Warn­hin­wei­se wur­den bei All­er­gien bei Korb­blüt­lern aus­ge­spro­chen. Auch bei bekann­ten Gal­len­stein­pro­ble­me soll der Tee nur in Abspra­che mit dem Arzt erfol­gen.

Tee-Rezept: 3 Gramm getrock­ne­te, zer­klei­ner­te Weg­war­ten­dro­ge aus Blät­tern und Wur­zeln (zum Bei­spiel aus der Apo­the­ke) wer­den mit 150 Mil­li­li­ter kochen­dem Was­ser über­brüht, 10 Minu­ten lang abge­deckt ste­hen gelas­sen. Danach abge­seiht und warm getrun­ken.

Tee-Rezept: 3 Gramm getrock­ne­te, zer­klei­ner­te Weg­war­ten­dro­ge aus Wur­zeln kann alter­na­tiv mit 250 Mil­li­li­ter kal­tem Was­ser ver­setzt, auf­ge­kocht und 10 Minu­ten lang abge­deckt ste­hen gelas­sen wer­den. Danach eben­falls absei­hen und warm trin­ken.

In der digi­ta­len Hager-Aus­ga­be von 2006 [12] sind noch wei­te­re volks­heil­kund­li­che Anwen­dun­gen auf­ge­führt: Eine Abko­chung soll bei Stö­run­gen von Leber­funk­tio­nen und Gelb­sucht, wie auch als mil­des Abführ­mit­tel genutzt wor­den sein (wis­sen­schaft­lich nicht belegt).

Homöo­pa­thi­sches

Wei­te­re Mög­lich­kei­ten der Dar­rei­chung bestehen in Form von Tink­tu­ren, Extrak­ten, Pflan­zen­saft oder homöo­pa­thi­schen Ver­ga­ben [13]. So wird in der Homöo­pa­thie die Weg­war­te Cicho­ri­um inty­bus etha­nol Decoc­tum (HAB 1.3), die gan­ze blü­hen­de getrock­ne­te Pflan­ze der Varie­tä­ten sati­vum und inty­bus bei Ver­dau­ungs­stö­run­gen (Dys­pep­sie) ver­ord­net. Neben der Gal­len­se­kre­ti­ons­för­de­rung oder der Appe­tit­an­re­gung hat Roger Kal­ber­mat­ten einen schö­nen Hin­weis auf den geis­tig-see­li­schen Aspekt der Weg­war­te gege­ben:

Der Mensch geht einen Weg mit vie­len Gabe­lun­gen, und an jeder Ver­zwei­gung muss er sich entscheiden…Die Weg­war­te stell­te den Men­schen mit bei­den Bei­nen in das Jetzt des Augen­blicks, weckt aus Träu­me­rei­en und ver­bin­det mit dem Augen­blick, dem Hier und Jetzt… Die Weg­war­te öff­net mit ihrer him­mel­blau­en Blü­te jeden Tag von neu­em ein Fens­ter… [14].

Einen wei­te­ren Aspekt der Frei­heit zeigt Edward Bach, der Begrün­der der Bach­blü­ten-The­ra­pie: Die Weg­war­te gehört für ihn zu den zwölf Heil­mit­teln. Die blaue Blu­me kor­ri­giert Men­schen, so Bach, die auf­op­fernd ihre Kin­der, Ver­wand­ten und Freun­de lie­ben und ihnen die­nen. Doch die­se Lie­be geben sie nicht umsonst, son­dern erwar­ten die­se zurück. Da die Lie­be jedoch ein Kind der Frei­heit ist, füh­ren die­se fal­schen Erwar­tun­gen in die Irre. Denn es geht dar­um, Mit­men­schen selbst­los und ohne Erwar­tun­gen auf Gegen­leis­tung zu lie­ben – wobei die Weg­war­te hilft [15].

Die Mono­gra­phie der Euro­ä­pi­schen Arz­nei­mit­tel-Agen­tur

Auch Schienen sind Wege der Menschen
Auch Schie­nen sind Wege der Men­schen

Die Euro­päi­sche Arz­nei­mit­tel-Agen­tur (EMA, eng­lisch Euro­pean Medi­ci­nes Agen­cy) hat 2013 eine abschlie­ßen­de Mono­gra­phie zur Weg­war­ten-Wur­zel her­aus­ge­ge­ben. Die EMA, die auf euro­päi­scher Ebe­ne für Zulas­sung und Über­wa­chung von Arz­nei­mit­teln zustän­dig ist, beschäf­tigt sich auch mit pflanz­li­chen Arz­nei­mit­teln. Dabei wird ver­sucht, „har­mo­ni­sier­te“ Mono­gra­phien auf euro­päi­scher Ebe­ne (nicht mehr nur auf natio­na­ler Ebe­ne, wie bei der deut­schen Kom­mis­si­on E) zu schaf­fen. Ziel ist dabei, die Wirk­sam­keit und Unbe­denk­lich­keit pflanz­li­cher Stof­fe und pflanz­li­cher Zube­rei­tun­gen sicher­zu­stel­len. Außer­dem sol­len bestimm­te Stan­dards initi­iert wer­den. Die Wis­sen­schaft­ler, die die Mono­gra­phien für die EMA erar­bei­te­ten, leg­ten neue Vor­aus­set­zun­gen für den Begriff der „tra­di­tio­nel­len pflanz­li­chen Arz­nei­mit­tel“ fest. Das Wis­sen um zahl­rei­che Heil­pflan­zen wird in vie­len Län­dern auf Grund­la­ge von indi­vi­du­el­len Anwen­dungs­er­fah­run­gen wei­ter­ge­ge­ben, teil­wei­se seit Jahr­hun­der­ten („Erfah­rungs­me­di­zin“). Damit nun eine Heil­pflan­ze zu den tra­di­tio­nel­len pflanz­li­chen Arz­nei­mit­tel gerech­net wird, leg­te die EMA eine min­des­tens 30-jäh­ri­ge Anwen­dungs­tra­di­ti­on fest („tra­di­tio­nal use“). Eine wei­te­re Mög­lich­keit, eine Zulas­sung pflanz­li­cher Arz­nei­mit­tel bei der EMA zu erlan­gen ist das Kon­zept des „well estab­lished use“, das heißt des „gut eta­blier­ten Gebrauchs“. Dabei müs­sen die Arz­nei­mit­tel min­des­tens seit 10 Jah­ren auf dem jewei­li­gen euro­päi­schen Markt sein, und es müs­sen aus­rei­chend Daten zur siche­ren, neben­wir­kungs­frei­en Ver­wen­dung exis­tie­ren. Die Mono­gra­phie der EMA mono­gra­phier­te nur die Weg­war­ten­wur­zel, nicht das Kraut [16, 17]. Dabei wur­de sich bei der Beur­tei­lung der medi­zi­schen Ver­wen­dung auf die tra­di­tio­nel­le Nut­zung beru­fen. Arz­nei­mit­tel der Weg­war­ten­wur­zel die­nen folg­lich zur „Lin­de­rung von leich­ten Ver­dau­ungs­stö­run­gen wie Völ­le­ge­fühl, Fla­tu­lenz und lang­sa­me Ver­dau­ung, sowie bei vor­über­ge­hen­der Appe­tit­lo­sig­keit“. Nur Erwach­se­ne oder Kin­der über 12 Jah­ren soll­ten Arz­nei­mit­tel mit Weg­war­ten-Wur­zel zu sich neh­men (für unter 12-jäh­ri­ge gibt es kei­ne Stu­di­en). Weil die Weg­war­ten-Wur­zel Bit­ter­stof­fe ent­hält, wur­de vom HMPC berück­sich­tigt, dass Appe­tit­lo­sig­keit besei­tigt wer­den kann. Außer­dem wur­de noch eine Labor­stu­die mit ein­be­zo­gen, die auf­zeig­te, dass durch Anre­gung der Gal­len-Sekre­ti­on der Leber die Fett­ver­dau­ung unter­stützt wird. Somit wur­de einer Anwen­dung für Ver­dau­ungs­stö­run­gen ent­spro­chen [18].

Kur­ze Über­sicht über phy­to­the­ra­peu­ti­sche Weg­war­tenwur­zel-Prä­pa­ra­te:

  • Weg­war­te Kap­seln: (Dia­mant Natuur B.V)
  • Weg­war­ten Spray: (Hecht Phar­ma) PZN 11713878
  • Bach Blü­ten­ex­trakt Weg­war­te Kap­seln: (Arni­mont Phar­ma) PZN 06992238

Bit­te­res ist gesund

Die Geschmacks­rich­tung Uma­mi wur­de Anfang des 20. Jahr­hun­derts durch den japa­ni­schen Che­mi­ker Kiku­nae Ikeda ein­ge­führt. Uma­mi bedeu­tet „schmack­haft, wür­zig, lecker“ und ist der wesent­li­che Geschmack von Fer­tig­ge­rich­ten. Die Ent­de­ckung, dass ins­be­son­de­re Glut­amin­säu­re die Geschmacks­knos­pen der Zun­ge zum süßen und als lecker emp­fun­de­nen zu beein­flus­sen ver­moch­te, brach­te den mas­sen­haf­ten Ein­satz von Glut­amat in die vor allem asia­ti­schen Küchen. Glut­amat wur­de auch in die vor­ge­fer­tig­ten Lebens­mit­tel gege­ben, um den Geschmacks­ver­lust, der durch Kochen, Lagern ent­steht wett­zu­ma­chen. Glut­amat geriet unter ande­rem auch in die Kri­titk, weil ver­dor­be­ne Waren damit geschmack­lich neu­tra­li­siert wer­den konn­ten. Außer­dem wur­den bei Über­do­sie­run­gen Pro­ble­me wie Kopf- oder Glie­der­schmer­zen bekannt. Uma­mi spielt den­noch bis heu­te eine gro­ße Rol­le in der indus­tri­el­len Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­ti­on. Ernäh­rungs­be­ra­ter wer­den nicht müde dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Ver­wen­dung von fri­schen, regio­nal ange­bau­ten Pro­duk­ten wesent­lich gesün­der ist. Und dass der Geschmack nicht nur aus Uma­mi, son­dern aus einer abwechs­lungs­rei­chen Nah­rung mit den Geschmacks­qua­li­tä­ten süß, sal­zig, bit­ter, scharf und sau­er bestehen soll­te. Lei­der bevor­zu­gen vie­le Men­schen Süßes – eben weil es so lecker schmeckt. Bit­te­res hin­ge­gen wird sogar ver­mie­den. Das geht sogar soweit, dass in der Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­ti­on Bit­te­res aus Gemü­se her­aus­ge­züch­tet, Süßes (z.B. bei den Möh­ren) hin­ge­gen ver­stärkt wird. Lei­der wird Ver­brau­chern damit ein Bären­dienst erwie­sen. Denn Bit­te­res ist ver­dau­ungs­för­dernd und gehört in die all­täg­li­che Nah­rung. Über Bit­te­res wer­den auf natür­li­che Wei­se die Geschmacks­knos­pen akti­viert, die Pro­duk­ti­on von Ver­dau­ungs­säf­ten in Magen, Gal­le und Darm ange­regt. Sala­te bei­spiels­wei­se kön­nen ohne Wei­te­res Bit­ter­hal­ti­ges ent­hal­ten: Endi­vi­en-Salat ist bei­spiels­wei­se bit­ter. Auch jun­ge Löwen­zahn­blät­ter von unbe­denk­li­chen, d.h. unge­düng­ten Wie­sen oder aus dem eige­nen Gar­ten kön­nen gepflückt wer­den und dem Salat bei­gemengt wer­den. Auch man­che noch nicht zu stark gen­tech­nisch mani­pu­lier­te Chi­ro­rée-Sor­ten eig­nen sich, um dem Salat eine im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes appe­tit­an­re­gen­de Note zu ver­lei­hen.

Weg­war­te als Agrar­pro­dukt

Die Weg­war­te ist eine wich­ti­ge Lie­fe­ran­tin für Inu­lin. Eben­so wie eini­ge ande­re Pflan­zen wie z.B. Chi­co­rée, Tom­pinam­bur, Arti­scho­cke, Schwarz­wur­zel pro­du­ziert die Weg­war­te in ihrer Wur­zel viel Stär­ke. Die Pflan­ze ver­wen­det die­se als Reser­ve­stoff. Für den Men­schen ist es ein güns­ti­ges Gemisch aus Polys­ac­cha­ri­den, wel­che aus Fruc­to­se­bau­stei­nen bestehen. Inu­lin kommt häu­fig in der Lebens­mit­tel­in­dus­trie zum Ein­satz, weil es ver­schie­de­ne güns­ti­ge Eigen­schaf­ten besitzt. Bei­spiels­wei­se schmeckt Inu­lin ange­nehm süß und ver­bes­sert damit das Mund­ge­fühl. Außer­dem ist Inu­lin ein Prä­bio­ti­kum: Bifi­do­bak­te­ri­en – nütz­li­che Darm­bak­te­ri­en – neh­men Inu­lin als gut ver­dau­li­chen Bal­last­stoff auf und wir­ken sich posi­tiv sowohl im Darm als auch auf den gan­zen Kör­per aus. Durch zahl­rei­che Stu­di­en konn­te eine güns­ti­ge Beein­flus­sung zum Bei­spiel auf die Regu­lie­rung des Stuhl­gangs, auf Ner­ven und Psy­che, aber auch auf eine Ver­bes­se­rung ver­schie­de­ner chro­ni­scher Erkran­kun­gen nach­ge­wie­sen wer­den. (Mehr sie­he Arti­kel: Darm­ge­sund­heit: Super­or­ga­nis­mus Mensch).

Autorin
• Mari­on Kaden, Ber­lin, 2018.
Bild­nach­weis
Mari­on Kaden, Ber­lin, 2018.
Quel­len
[1] Des Peda­ni­os Dio­s­ku­r­i­des aus Anaz­ar­bos: Arz­nei­mit­tel­leh­re in fünf Büchern. Enke, Stutt­gart, 1902.
[2] Ger­hard Mad­aus: Lehr­buch der bio­lo­gi­schen Heil­mit­tel. Thie­me Ver­lag, Leip­zig, 1938 (Voll­text Mono­gra­phie Weg­war­te).
[3] Hie­ro­ny­mus Bock: Das Kre­üt­ter Buch, Dar­inn Under­scheidt, Namen vnnd Würckung der Kreut­ter, Stau­den, Hecken vnnd Beu­men, sampt jhren Früch­ten, so inn Deut­schen Lan­den wach­sen Durch H. Hie­ro­ny­mum Bock auss lang­wiri­ger vnd gewis­ser erfa­rung beschrie­ben. Josi­as Rihelm, Straß­burg, 1556 (Scan – 1.2 GB!).
[4] Sebas­ti­an Kneipp: Pfar­rer Kneipps Haus­apo­the­ke: Kräu­ter, Tees, Tink­tu­ren, Öle und Pul­ver aus des Herr­gotts Gar­ten. Jopp Oesch, Zürich, 2005 (bei Ama­zon kau­fen).
[5] Johann Künz­le: Das gros­se Kräu­ter­heil­buch: Rat­ge­ber für gesun­de und kran­ke Tage nach der gift­frei­en Heil­me­tho­de und den Ori­gi­nal­re­zep­ten. Pat­mos, Düs­sel­dorf, 2006 (bei Ama­zon kau­fen).
[6] Lud­wig Kroeber: Das Neu­zeit­li­che Kräu­ter­buch. Hip­po­kra­tes Mar­quardt, Stutt­gart, 1948.
[7] Hugo Schulz: Vor­le­sun­gen über Wir­kung und Anwen­dung der Deut­schen Arz­nei­pflan­zen. Thie­me, Leip­zig, 1929.
[8] Bla­schek W, Ebel S, Hacken­thal E, Holz­gra­be U, Kel­ler K, Reich­ling J, Schulz V (Hrsg.): Hagers Hand­buch der Dro­gen und Arz­nei­stof­fe (Hager­ROM 2006). Sprin­ger, Hei­del­berg, 2006 (bei Ama­zon kau­fen).
[9] Hart­wig Abra­ham, Inge Thin­nes: Hexen­kraut und Zau­ber­trank. Unse­re Heil­pflan­zen in Sagen, Aber­glau­ben und Legen­den. Freund, Grei­fen­berg, 1995 (bei Ama­zon kau­fen).
[10] Sieg­fried Bäum­ler: Heil­pflan­zen Pra­xis Heu­te. Por­träts, Rezep­tu­ren, Anwen­dun­gen. Urban & Fischer Ver­lag, Mün­chen, 2006 (bei Ama­zon kau­fen).
[11] Mono­gra­phie BGA/BfArM (Kom­mis­si­on E): Cicho­ri­um inty­bus (Weg­war­te). Bun­des­an­zei­ger: 23.4.1987., Heft­num­mer: 76., ATC-Code: A16AY (Voll­text).
[12] sie­he [8]
[13] Mono­gra­phie BGA/BfArM (Kom­mis­si­on D): Cicho­ri­um inty­bus (Cicho­ri­um). Bun­des­an­zei­ger Nr. 109 a vom 16.6.1987 (Voll­text).
[14] Roger Kal­ber­mat­ten, Hil­de­gard Kal­ber­mat­ten: Pflanz­li­che Urtink­tu­ren: Wesen und Anwen­dung. AT Ver­lag, Baden und Mün­chen, 2005 (bei Ama­zon kau­fen).
[15] Edward Bach: Die Hei­len­de Natur. Die Gedan­ken des Begrün­ders zur Bach-Blü­­ten-The­ra­pie zum Wesen von Krank­heit und Gesund­heit. Hey­ne Ver­lag, Mün­chen, 1990.
[16] Com­mit­tee on Her­bal Medi­cinal Pro­ducts (HMPC): Cicho­rii inty­bi radix – her­bal medi­cinal pro­duct (Chi­co­ry root). Euro­pean Medi­ci­nes Agen­cy (EMA), (London)/Amsterdam, 2022 (Over­view).
[17] Aus­schuss für pflanz­li­che Arz­nei­mit­tel (HMPC): Weg­war­ten­wur­zel – Cicho­ri­um inty­bus L., radix (EMA/HMPC/286842/2013). Euro­pean Medi­ci­nes Agen­cy (EMA), (London)/Amsterdam, 16. Juni 2016 (Voll­text).
[18] Knöss W, Wies­ner J: Der Aus­schuss für pflanz­li­che Arz­nei­mit­tel (HMPC, Com­mit­tee on Her­bal Medi­cinal Pro­ducts). Har­mo­ni­sier­te euro­päi­sche Mono­ga­fien für pflanz­li­che Stof­fe und pflanz­li­che Zube­rei­tun­gen. In: Zeit­schrift für Phy­to­the­ra­pie 2017; 38:11–14.
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