Lexikon

Nico­tin­säu­re

(f) Stamm­sub­stanz einer Grup­pe von →Lipidsen­kern (Nia­cin). Als rei­ne Sub­stanz in Deutsch­land nicht mehr im Han­del, son­dern nur in Form der Nico­tin­säu­re­ana­loga →Aci­pim­ox, Beta-Pyr­idyl­car­bi­nol, Ino­si­tol­ni­co­ti­nat und Xan­ti­nol­ni­co­ti­nat. Nico­tin­säu­re ist ein Vit­amin der B‑Reihe, des­sen Feh­len Pel­la­gra ver­ur­sacht. Nico­tin­säu­re wirkt im Fett­ge­we­be, wo sie die →Ade­ny­lat­cy­cla­se hemmt. Da somit die Hydro­ly­se des Spei­cher­fet­tes unter­drückt wird, wer­den weni­ger →freie Fett­säu­ren in das Plas­ma sezer­niert, wodurch der Leber Sub­strat für die Syn­the­se von →VLDL ent­zo­gen wird. Da →LDL intra­plas­ma­tisch aus VLDL ent­steht, wird auch mit­tel­bar weni­ger LDL gebil­det. Auch die →Cho­le­ste­rin­bio­syn­the­se der Leber wird etwas gehemmt. Das →HDL-Cho­le­ste­rin steigt an, ver­mut­lich durch eine indi­rek­te Ver­min­de­rung der Akti­vi­tät des →Cho­le­ste­ri­nes­ter-Trans­fer-Pro­te­ins (→CETP), da einer­seits weni­ger VLDL als Cho­le­ste­ri­n­ak­zep­tor zur Ver­fü­gung steht und ande­rer­seits die frei­en Fett­säu­ren ernied­rigt sind, die sonst die Akti­vi­tät des CETP stei­gern wür­den. Unter einer Dosie­rung von 3 bis 7 g/Tag sin­ken die →Tri­gly­ce­ri­de um 40 bis 50% und das →LDL-Cho­le­ste­rin sinkt um 10 bis 20 %. Das HDL-Cho­le­ste­rin steigt um 10 bis 30 % an. Uner­wünsch­te Begleit­erschei­nung ist der Flush, der bei ca. 15 % aller Pati­en­ten auf­tritt, jedoch nach kur­zer The­ra­pie­dau­er nach­lässt. Er kann durch ein­schlei­chen­de The­ra­pie oder gleich­zei­ti­ge Gabe von Ace­tyl­sa­li­cyl­säu­re kupiert wer­den. Im Coro­na­ry Drug Pro­ject wur­den Ver­schlech­te­run­gen des Koh­len­hy­drat­stoff­wech­sels (→patho­lo­gi­scher ora­ler Glu­co­se­be­las­tungs­test, Glu­co­se­an­stieg) und ein Anstieg der →Harn­säu­re bis hin zu ver­mehr­ten →Gicht­an­fäl­len beschrie­ben. Ein neue­res Ana­lo­gon der Nico­tin­säu­re, das Aci­pim­ox, scheint die­se uner­wünsch­ten Begleit­erschei­nun­gen nicht auf­zu­wei­sen. Wäh­rend die Nico­tin­säu­re in den USA als →Lipidsen­ker ers­ter Wahl für die meis­ten →Hyper­li­po­pro­te­in­ämi­en gilt, wird sie in Deutsch­land kaum ein­ge­setzt, vor allem wegen des Flushs. Dies ist bedau­er­lich, da es sich bei der Nico­tin­säu­re um eine rela­tiv siche­re und preis­wer­te Sub­stanz han­delt, die alle Lipo­pro­te­ine güns­tig beein­flusst. Im Coro­na­ry Drug Pro­ject erwies sich Nico­tin­säu­re als ein­zi­ger Lipidsen­ker, der die Inzi­denz der nichtt­öd­li­chen Herz­in­fark­te sta­tis­tisch signi­fi­kant senk­te und – 10 Jah­re nach Stu­di­en­en­de – auch die koro­na­re und die →Gesamt­mor­ta­li­tät.


Abb. 37 Struk­tur­for­mel der Nico­tin­säu­re.